Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Merlin Hydes: In Plain Sight (Review)

Artist:

Merlin Hydes

Merlin Hydes: In Plain Sight
Album:

In Plain Sight

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Blues

Label: DevilDuck Records
Spieldauer: 37:53
Erschienen: 16.02.2024
Website: [Link]

Eines steht fest: Die jahrzehntelange Erfahrung und Lebensweisheit, die man als Zuhörer aus der Musik von MERLIN HYDES herauszuhören glaubt, kann der Mann schlicht noch nicht angesammelt haben, denn der Bursche ist noch so jung, dass er nicht einmal einen facebook-Account (geschweige denn eine eigene Website oder hippe Promo-Videos) hat. Im Alter von 12 Lenzen fand Hydes auf Anregung eines Freundes, der ihm einen Blues-Lick zeigte, zum Gitarrenspiel, schaffte sich so erstmal die Finessen des Instruments drauf und begann dann vor etwa zwei Jahren - als er sein Spiel bereits virtuos beherrschte - Gesang hinzuzufügen und eigene Songs zu schreiben, die auf Gedichten basieren, welche er in einem Eigenbau-Holzwagen verfasste.

Ach ja: MERLIN HYDES macht Blues. Und zwar die klassische Delta-Blues-Variante, die sich dadurch auszeichnet, dass sie auf akustischer Basis daherkommt. Vielleicht liegt's daran, dass Hydes, der zur Zeit in Hamburg residiert, auf dem platten Land aufgewachsen ist und bis heute einen besonderen Bezug zur Natur hat. Auf jeden Fall hat seine Art, sich auf dem Debüt-Album „In Plain Sight“ mit klassisch-gutturalem Gesang als Geschichtenerzähler im Porchsong-Modus zu betätigen, nichts mit den in den spärlichen Info-Texten aufgeführten Referenznamen STEVIE RAY VAUGHN oder ALBERT KING zu tun – denn die arbeiteten halt vorwiegend elektrisch.

MERLIN HYDES ist aber auch kein neuer MISSISSIPPI JOHN HURT, sondern schafft es, seinem Material und der einzigen Cover-Version des Klassikers „Maggie's Farm“ (den er nahtlos in seine Flow integriert) durch seine jugendliche Frische und ansteckende Begeisterung für das Gitarrenspiel eine ganz eigene Dynamik angedeihen zu lassen. Ähnlich wie's seine isländisch/amerikanische Kollegin LAUFEY für das Medium des klassischen Storybook-Jazz bereits geleistet hat, könnte Hydes mit diesem Ansatz sogar seine eigene Generation für den klassischen Folk-Blues begeistern.

Entdeckt wurde Hydes bei einem Open-Mic-Abend namens „Bring Your Own Song“, den der britische Blues-Spezialist JON KENZIE in Hamburg organisierte. Dieser war begeistert von der ungekünstelten, geradlinigen Manier, mit der Hydes sein Material (nun auch auf der LP) präsentiert wie die Scouts des renommierten Indie-Labels DevilDuck, die ebenfalls bei dieser Veranstaltung zugegen waren. Das führte dazu, dass Kenzie sich umgehend bereit erklärte, „In Plain Sight“ zu produzieren, sodass Hydes nun auf demselben Label beheimatet ist, auf dem auch die kanadischen Bluegrass-Überflieger THE DIRTY SOUTH ihre großen Erfolge feiern.

Rein musikalisch setzt MERLIN HYDES weder auf die reine Lehre der Traditionspflege noch bilderstürmerische Ambitionen, sondern findet in seinen Songs immer einen Mittelweg zwischen der Hochachtung vor den Errungenschaften der Altvorderen und einer individuellen Perspektive. Besonders deutlich wird das durch seine Lyrics, die ziemlich clever konstruiert sind. So erzählt er mit den Bildern der Blues-Sprache auf ziemlich selbstironische und unterhaltsame Weise aus seinem Leben als mystischer Waldschrat, der sich vor aller Augen – also „In Plain Sight“ - versteckt, indem er eins mit seiner Umgebung wird (wie die Kombination aus Künstlernamen und LP-Titel anschaulich ausbuchstabiert).

Während Hydes musikalisch vollkommen ernsthaft seine Kunst als virtuoser Gitarrist demonstriert, setzt er inhaltlich auf eine Tugend des frühen Blues, die nicht ganz so offensichtlich im Bewusstsein verankert ist – den augenzwinkernden Humor nämlich. Zwar wird er dabei nicht so anzüglich und prahlerisch wie z.B. ROBERT JOHNSON, aber alleine die Tatsache, dass er solche Vibes aufgreift, macht die Sache umso glaubwürdiger. Besonders eindrucksvoll gelingt ihm dies in Tracks wie „Coin Rattle“ und „Bucket Of Gold“, in denen er seinen Kampf mit Banken, Schuldnern und dem Schicksal anschaulich schildert. Angesichts dessen, dass Hydes erst seit zwei Jahren mit Gesang und Texten arbeitet, kommt das alles ungemein versiert und eben im klassischen Sinne authentisch daher.

Und dann abschließend noch etwas: Jeder einzelne der 12 Songs kommt mit einer eigenen atmosphärischen Schattierung, einer anderen Subgenre-Variante, einer spezifischen spieltechnischen Finesse, einem bestimmten Tempo und einem eigenen Sound-Setting daher, wodurch „In Plain Sight“ zu einem der kurzweiligsten und unterhaltsamsten puristischen Solo-Alben der letzten Zeit wurde. Für ein Genre, in dem musikalisch eigentlich alles schon mehrfach gesagt und probiert worden ist, ist das jedenfalls genau der richtige Ansatz, um auch jüngere Menschen für diese Art von Musik begeistern zu können.

FAZIT: Noch ist das Unternehmen MERLIN HYDES eine überschaubare Familienangelegenheit. JON KENZIE agiert dabei als väterlicher Freund, der als Produzent genau die richtige Balance zwischen dem findet, was unbedingt notwendig ist und dem, was besser gelassen werden sollte. Somit setzt er MERLIN HYDES' Songs weitestgehend ungefiltert und unbehandelt in Szene, sorgte aber für einen coolen, organischen Gitarrensound und griff auf dieselben Hilfsmittel zurück, wie die Ur-Blueser – etwa ein wenig organischer Hall, ein bisschen Bottleneck, gelegentliches Foot-Stomping und hier und da verzerrte Vocals, die absichtlich etwas übersteuert daherkommen. Sollte es gelingen, Hydes die notwendige Öffentlichkeit zu vermitteln, dann steht einer Karriere als Blues-Wunderkind nichts im Wege. Und überhaupt: Warum sollte so etwas nur in den USA möglich sein?

Ullrich Maurer (Info) (Review 1909x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Dark Riders
  • The River Song
  • I Got The Time
  • Mary
  • Maggies Farm
  • Drip Of Luck
  • Like Gold
  • Dream Stepper
  • Coin Rattle
  • Bucket Of Gold
  • The Quiver
  • On The Loose

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Welche Farbe hat eine Erdbeere?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!